Alwine Wuthenow

Alwine Wuthenow, geb. Balthasar (16.09.1820 - 08.01.1908)

Die Pfarrerstochter Alwine Balthasar wuchs zusammen mit drei Schwestern in einem geistig angeregten Haus unter der Obhut liebevoller Eltern in Neuenkirchen bei Greifswald auf. Alwine erhielt die beste Ausbildung ihrer Zeit und war ohnehin ein außergewöhnlich begabtes Mädchen. Sie las gern religiöse Schriften und fand durch die Erziehung im Elternhaus zu einem starken Gottvertrauen. Das sollte ihr im späteren Leben die Kraft geben, die langjährigen schweren Prüfungen mit Ergebung zu tragen. Eine Legende rankte sich um ihre Geburt. Während der Schwangerschaft der Pastorenfrau ertrank in dem Teich vor ihrem Haus der Sohn eines österreichischen Offiziers. Als dieser die Leiche seines Kindes vor sich sah, «gebärdete er sich wie ein Rasender» und verfluchte das Haus und die schwangere Frau. Das soll zur Frühgeburt geführt haben. Alwine lebte seit frühester Kindheit nie ganz ohne Angst- und Zwangsvorstellungen. Ihre Krankheit trat nach dem frühen Tod der Mutter (1827) zu Tage. Weder die liebevolle Betreuung durch die Stiefmutter noch der dreijährige Aufenthalt im Hause des Gretfswalder Professors Hornschuh brachte dem Mädchen Heilung. Vom 17. bis 19. Lebensjahr hielt sich Alwine Balthasar in der Heilanstalt Sachsenberg bei Schwerin auf. Als Gattin des Gützkower Bürgermeisters Ferdinand Wuthenow, der sie trotz vieler Warnungen geheiratet hatte, verbrachte Alwine Wuthenow nun einige glückliche Jahre und wurde als «liebendes Stadtmutterherz» bezeichnet. «Ein Engel an Milde, stand ihm zur Seite; beriet, half, gab und tröstete nach Kraft und häufig über ihre Kraft, zu Weihnachten richtete sie Bescherungen, bei besonderen Notständen Lotterien ein,...» so schildert ihre ältere Schwester Bertha das Wirken Alwines in ihrem Tagebuch. Besonders die Zeit, als ein Sohn geboren wurde, gestaltete sich für Alwine Wuthenow, Mutter von insgesamt fünf Kindern, als sehr glücklich. 1849 wurde Ferdinand Wuthenow an das Kreisgericht nach Greifswald versetzt. Bald nach der Übersiedlung wurden Alwines Leiden wieder so heftig, daß sie in eine Heilanstalt gehen mußte. Viele Jahre verbrachte sie nun, nur mit kurzen Unterbrechungen in verschiedenen Anstalten, niemals verlor sie ihre Hoffnung auf Genesung. Trotz oftmaliger körperlicher und geistiger Schwäche verfaßte sie auch in Heilanstalten zahlreiche Dichtungen. Unter dem Pseudonym ANNMARIEK SCHULTEN veröffentlichte sie 1858 (in 2. Auflage 1860) mit Hilfe von Fritz Reuter «En poar Blomen ut Annemariek Schulten ehren Goarn». Fritz Reuter, ein Freund und Leidensgenosse ihres Mannes auf der Festung Silberberg, schreibt im Vorwort der Herausgabe der Fortsetzung «Nige Blomen ut Annemariek Schulten ehren Goarn», die er als «Perlen unter den Kieseln» bezeichnet, auch über die Krankheit und die Leiden der Dichterin. In Winnenthal bei Stuttgart genoß Alwine Wuthenow im Kreise hochbegabter Mensehen vielfache geistige Anregung. Don besuchte sie auch Eduard Mörike. «Frau Wuthenow» schrieb er, «ist im Gespräch höchst lebendig, doch nicht exaltiert und wahrhaft bescheiden.» Erst 1874 konnte die Dichterin die Heilanstalt für immer verlassen, obwohl sie nicht geheilt war Ihre Schwächen waren lediglich infolge liebevollster Pflege der Familienangehörigen erträglich. Nach acht Jahren ungetrübten Ehelebens in Greifswald verlor die Dichterin 1882 ihren Mann. In der Zeit nach seinem Tod lebte sie in der Obhut ihrer jüngsten Tochter Hermine und verstarb am 8. Januar 1908. Eine Gedenktafel für sie befindet sich in Greifswald in der Caspar- David- Friedrich-Straße 3, an jenem zweigeschossigen Traufenhaus, in dem sie von 1848 bis zu ihrem Tode gewohnt hatte. Der Nachwelt hinterließ sie gefühlvolle Gedichte in hoch- und plattdeutscher Sprache.

Aus „Greifswalderinnen in Licht und Schatten“ v. A. Höfs, A. Sandmann, U. Boback-Askri, 2000

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